Das Palasthotel in Portorož ist ein Topos, zu dem seit 1959 eine persönliche Beziehung besteht. Aus dieser subjektiven Nähe ergeben sich Gedanken über Zeit, Veränderung und das exemplarisch Schöne. Eine Annäherung an solche Gedanken lässt sich essayistisch, vor allem aber fotografisch gestalten. In diesem Fall handelt es sich nicht um das Genre der peinture trouvée, denn das Fotografieren orientiert sich hier nicht ausschließlich an der Bildstruktur, sondern ebenso am Sujet. Es handelt sich um fotografische Impressionen, die das zu illustrieren versuchen, was hinter den Bildern liegt.
Ende der Fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts begann das kommunistische Jugoslawien, sich westlichen Touristen zu öffnen. Dabei wurde das Palasthotel in Portorož aus seinem Dornröschenschlaf geweckt. Es gab im Jahr 1959 Reiseangebote dorthin, die man heute als Schnäppchen- oder Schnupperreisen bezeichnen würde. Kleinbürgerliche Touristen, die sich anderenorts noch nicht mal ein Mittelklasse-Hotel leisteten, versanken in der Atmosphäre des 1911 erbauten Hotelpalastes, der seit den Tagen der Donau-Monarchie nicht mehr gelüftet zu sein schien. In den Sechziger Jahren setzte dann der Massentourismus nach Jugoslawien ein und erfasste auch Portorož im Norden der Halbinsel Istrien. Das Palasthotel unterlag nun der kommerziellen Intensiv-Nutzung und tauchte in den Reiseprospekten der Zeit als Wahrzeichen von Portorož auf. Das Gebäude überlebte diese Zeit und wurde schließlich von der Hotelgruppe Kempinsky seiner ursprünglichen Bestimmung als Luxushotel wieder zugeführt.
Die Wiederbegegnung mit dem Palasthotel nach genau 60 Jahren ist ein Erlebnis der Distanz. Während damals die einwöchige Pauschalreise hierher insgesamt nur etwa 100 Mark kostete, sind heute die Übernachtungspreise im Hotel für die meisten von uns unerschwinglich. Das Hotel gebietet Abstand. Doch der Blick von außen genügt. Man weiß, dass im Inneren das Gebäude vollständig entkernt wurde. Dort würde nichts mehr an 1959, geschweige denn an das alte Österreich erinnern. Vom ursprünglichen Bau ist nur die Fassade erhalten. Doch die Fassade ist hier nicht das Äußere, die Fassade ist die Substanz.
Das Palasthotel wurde am Vorabend des 1. Weltkriegs mit dem Anspruch gebaut, etwas Schönes, genauer: etwas paradiesisch Schönes zu schaffen. Das Schöne sollte konsensfähig sein. So wurde das Hotel nicht im Stil der Zeit gebaut, sondern nach dem Geschmack der Zeit, in einem Historismus, der längst überholt war, der aber wohl immer noch die Erwartungen an das Schöne erfüllte. Das Gebäude zeigt gelungene Proportionen. Es übt seinen Reiz auch noch heute aus. Was uns anspricht, ist nicht unbedingt die Architektur als etwas Schönes, sondern der Ort, das Ambiente, wo wir uns gern aufhalten möchten. Hinzu kommt der Baumbestand, der sich inzwischen so entwickelt hat, wie man sich das wohl vor hundert Jahren vorstellte. So finden wir heute das perfekte Bild für den Mythos, der sich mit den Begriffen Belle Epoque und Grand Hotel verbindet.
Damit scheint der Kreis geschlossen. Das Palasthotel ist nach seiner zyklischen Geschichte da angekommen, wo es ursprünglich hinwollte. Es stellt uns das Bild einer Schönheit vor Augen, für die wir empfänglich geblieben sind. Die Gründe scheinen nicht so sehr im Ästhetischen, sondern im Psychologischen zu liegen. Das Palasthotel entspricht einer Vorstellung, die wir lieben.